Latein-Exkursion – Römische Thermen

luftbi011Spa in der Antike? Niemals. Und doch hatten bereits die Römer Thermalbäder mit allem drum und dran. Verschiedene Becken mit unterschiedlich temperiertem Wasser, Schwitzräume, Bodenheizung, Massage, Verpflegung und und und. Die Therme in Badenweiler konnte uns dies alles leider nicht mehr bieten, da wir knapp zweitausend Jahre zu spät kamen. Nach einer Besichtigung der Ruinen konnten wir es jedoch in der benachbarten Cassopeia-Therme nachfühlen. Bei einem vierstündigen Aufenthalt konnten alle entspannen und das Kaltwasserbecken sorgte zudem für Adrenalin. Doch nun zurück in die Antike:

Es war ein Tag wie jeder andere. Träge von dem ewigen Herumsitzen in der Kaserne schleppte Quintus sich weiter in Richtung Therme. Er hatte sich für heute mit seinem Freund Gaius in der Therme verabredet und wollte dort mit ihm speisen. Quintus lief nun den Schotterweg entlang, der ihn von der Burg wegführte. Der Kies knirschte unter seinen Füßen und bohrte sich in seine ledernen Sandalen. Einmal mehr dachte er an das Zentrum des Reiches -- Rom -- mit den gepflasterten Straßen und den sauberen Vierteln. Hier inmitten des schwarzen Waldes war es düster und nass. Ringsum standen nur Bäume und Grün. Quintus war nun schon länger nicht mehr in Rom gewesen, doch die Millionenstadt hatte einen Eindruck hinterlassen, den man so schnell nicht vergaß. Sehnsüchtig erinnerte er sich an das geschäftige Treiben, das dort immer herrschte, nicht nur auf dem Forum. WP 20181219 14 01 02 ProAls kleiner Junge hatte es ihn schon immer fasziniert, wie sich die Menschenmassen auf den Marktplatz drängten, wie alle Teil eines Ganzen waren, alle von diesem Platz angezogen wurden, und doch alle wieder in verschiedene Richtungen verschwanden. Er hatte seinen Vater immer anbetteln müssen, ihn mitzunehmen und ihn auf dem Pferd reiten zu lassen. Quintus’ Vater war Geschäftsmann gewesen. Er hatte einen großen Besitz gehabt und war immer unterwegs gewesen. Quintus, als fünfter Sohn in der Familie hatte davon allerdings recht wenig profitiert. Oft waren es seine zwei ältesten Brüder Titus Primus und Commodus gewesen, die mit ihrem Vater hatten mit reiten dürfen. Quintus hatte wenig Ahnung vom Geschäft, für Politik interessierte er sich nicht, also war er zur Legion gegangen und war hier gelandet: In der Provinz Germania. Seine Aufgabe hatte sich schon bald nach seinem Eintreffen als lächerlich erwiesen. Er sollte einen Kurort bewachen. Welcher Kurort musste schon bewacht werden? Ihm war durchaus bewusst, dass es ihn auch hätte schlimmer treffen können, doch seine Sehnsucht nach Rom ließ sich nicht mit Thermalwasser besänftigen, vor allem nicht, wenn er seine Zeit damit verbrachte, herumzusitzen und darüber zu philosophieren, was er wohl täte, wäre er in Rom. Wie gerne würde er die Schule des Gartens aufsuchen, dort flanieren und alte Schriften studieren. Wie gerne würde er jeden Tag den Tempel einer anderen Gottheit aufsuchen, anstatt sich mit dem Tempel der keltisch-römischen Göttin Diana Abnoba zu begnügen. Doch es war der ihr geweihte Boden, auf welchem er stand, und die ihr geweihte Therme, welcher er sich nun von Westen näherte. Von weitem sah er ein paar Damen, die ebenfalls die Therme als Ziel zu haben schienen. Es war eine römische Frau mit ihren Kindern und Sklavinnen, wie er an den Gewändern und dem Schmuck erkennen konnte. Anders als er gingen sie jedoch zur östlichen Seite der Therme, die, die für Frauen gedacht war. Die gesamte Therme wurde im Inneren durch eine Mauer in zwei geteilt und besaß somit zwei identische Hälften. Nun ja, nicht gänzlich identisch: Wie in den meisten Thermen war die den Frauen zugeordnete Hälfte ein wenig weitläufiger, da diese meist ihren gesamten Haushalt mit in die Thermen brachten. Doch waren die Räumlichkeiten und deren Anordnung identisch, sowie die Außenfassade, zu welcher Quintus nun emporblickte. Er stand bereits vor dem Eingang, hielt jedoch kurz inne, um ein letztes Mal für die nächsten Stunden die frische, kühle Brise aufzunehmen, die hier in Germania immer wehte. Dabei legte er den Kopf in den Nacken und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, schaute er geradewegs in einen wasserblauen Himmel. Wolkenlos, freundlich. Er musste zugeben, der Himmel sah in Rom nicht besser aus. Sol zog auch hier seinen Feuerball über den Himmel. Quintus senkte seinen Blick wieder und blieb an der Therme hängen. Auch diese war etwas Positives in dieser Gegend. Er konnte sich nicht beklagen; die Therme war ähnlich groß wie in anderen Provinzen, es gab reichlich Sklaven und er durfte jeden Tag baden gehen. Nebenbei bemerkt war die Therme sogar recht hübsch. Sie war aus hellem Bruchstein erbaut, innen mit Kalkstein verkleidet und hatte typisch für Thermen große Fenster. „Hast du vor hier Wurzeln zu schlagen, Soldat?“, blaffte ihn plötzlich jemand von hinten an, dem er anscheinend den Weg versperrt hatte. Aus seinen Gedanken gerissen trat Quintus schnell einen Schritt zu Seite und ließ den älteren Herrn an ihm vorbei. Der aufwändig bestickten Toga nach zu urteilen, ein reicher älterer Herr, vielleicht ein Politiker, dachte Quintus, und rümpfte unwillkürlich die Nase. Schließlich betrat er den Hofbereich der westlichen Thermenhälfte. Ein paar junge Männer spielten sich einen Ball zu, andere übten sich im Ringen und wieder andere standen in Grüppchen zusammen und unterhielten sich. Quintus ging zu den Auskleideräumen und zog sich davor seine Ledersandalen aus, um sich gleich die vorbereiteten Holzsandalen überzustreifen. Selbst in den Auskleideräumen gab es Boden- und Wandheizungen, welche von dem Hypocaustensystem gespeist wurden. Er hatte sich nie gefragt, wie es wohl den Sklaven dabei erginge, ständig in einem kleinen Raum an einer Feuerstelle zu stehen, das Feuer zu schüren und den Rauch einzuatmen, um die Hohlräume in Wand und Fußboden mit Wärme zu füllen. Es waren ja Sklaven. Sie hatten sich ihrem Los zu fügen, wie jeder andere auch, so hatte es ihm sein Vater beigebracht. Quintus legte seine Kleidung und seine Schuhe neben die der anderen Badegäste und wickelte sich ein Tuch aus grobem Leinen, das ihm ein Sklave gereicht hatte, um die Hüften. Gemächlich ging er auf den Eingang zu dem ersten Becken zu. Die Holzsandalen kamen bei jedem seiner Schritte laut auf dem Kalksteinboden auf und kündigten den anderen Badegästen sein Eintreffen an. Sobald er durch den Türrahmen schritt, lagen alle Blicke auf ihm. Ein wenig verunsichert von der geballten Aufmerksamkeit ließ Quintus seinen Blick schnell über die Männer gleiten und murmelte ein „Salvete!“. Gaius schien noch nicht da zu sein. Kurz darauf schwoll das davor dagewesene Gemurmel wieder an und Quintus schritt am Beckenrand entlang, um sich in einer leeren Ecke des Beckens zu Wasser zu lassen. Die Becken waren nicht besonders tief. Quintus war kein großgewachsener Mann und dennoch reichte ihm das warme Wasser, das sanft seinen Körper umspielte, nur knapp über die Hüfte. Gemächlich ließ er sich auf die Stufen des Beckens sinken und legte seine Arme rechts und links auf den Beckenrand. Er spürte einen Wasserstrom auf seiner linken Rückenseite. Das warme Wasser kam offensichtlich hier direkt aus der Wasserleitung, die aus Blei gefertigt war und das Thermalwasser durch natürliches Gefälle direkt von der Quelle zur Therme führte. In der Ecke links von Quintus musste demnach das Wasser wieder abgeführt werden. WP 20181219 14 00 19 ProQuintus ließ seinen Blick erneut durch den Raum schweifen. Alle Badegäste lehnten am Beckenrand, mal in Grüppchen, mal alleine. Manche aßen, andere unterhielten sich oder wickelten Geschäfte ab, und wieder andere spielten ein Brettspiel. Quintus hob den rechten Arm und schnipste einmal leise mit den Fingern. Sofort kam einer der Sklaven, die stumm am Rand auf Befehle warteten, herbeigeeilt. „Was kann ich für dich tun, Herr?“, fragte er unterwürfig. Quintus hob den Blick, lächelte leicht und forderte: „Massiere mich! Meine Schultern sind ganz verspannt.“ Der Sklave nickte, als Zeichen dafür, dass er verstanden hatte, kniete sich hinter Quintus und begann, verschiedene gut riechende Öle auf seine Schultern zu träufeln. „Ist Centurio Gaius Iunior bereits eingetroffen?“, wollte Quintus wissen. „Nein, Herr“, antwortete der Bedienstete und bekam als Antwort wiederum ein knappes Nicken. Nach einer Weile – Quintus spürte deutlich, dass sich die Muskulatur seiner Schultern und seines Nackens entspannt hatten – erhob er sich und stieg aus dem Becken: Sein Körper hatte sich inzwischen so sehr an die Wassertemperatur gewöhnt, dass ihm das Wasser kalt schien. Er ließ sich sein Tuch reichen, wickelte es sich wieder um die Hüften und durchquerte den Raum, um den nächsten zu betreten. Das Wasser hier hatte jedoch die gleiche Temperatur wie im Vorherigen Raum, also ging er in Richtung der Schwitzräume. Über dem Türrahmen hing ein Mosaik, das Holzsandalen abbildete und den Wunsch: „Bene lava“ – Bade gut! Rechts und links neben der Tür waren Statuen aufgestellt. Diese zeigten große, breitschultrige Männer, nackt und voller Selbstbewusstsein. Sobald Quintus in den Schwitzraum schritt, kam ihm dichter Dampf und Hitze entgegen. Noch bevor er sich auf den heißen Steinbänken niedergelassen hatte, traten ihm Schweißperlen auf die Stirn. Auch hier unterhielten sich Badegäste oder lehnten mit geschlossenen Augen an den Steinwänden, oder eher an ihren Tüchern, die sie zwischen sich und die Wand geklemmt hatten, um sich nicht zu verbrennen. Quintus nickte einem Legionär aus seiner Kohorte zu, fing jedoch kein Gespräch an. Auch hier, keine Spur von Gaius. Als Quintus in der Hitze zuerst getrocknet war und anschließend so nass vom Schwitzen war, als käme er direkt aus dem Wasserbecken, verließ er auch diesen Raum und ging in den angrenzenden, in welchem das Kaltwasserbecken Abkühlung versprach. Handbreite für Handbreite stieg er in das Becken, während sich sein Körper gegen die Kälte sträubte. Nachdem er einmal gänzlich untergetaucht war und seinen Beinen die Kälte kaum noch zusetzte, stieg er wieder aus dem Wasser und ging zurück in den Baderaum für Thermalwasser. Erneut fragte er nach Gaius, doch dieser schien noch immer nicht eingetroffen zu sein. Quintus ließ sich einen Schaber bringen, zog sich in eine der Wannenbäder zurück und begann, den Staub und den Dreck der letzten drei Tage von seinem Körper zu entfernen. Anschließend ließ er sich von einem Sklaven rasieren. Mit der Hoffnung, Gaius doch noch anzutreffen, machte er noch einen Rundgang durch die Bäder, doch vergebens. Centurio Gaius Iunior schien zu beschäftigt zu sein, um seine Verabredung mit seinem Freund wahrzunehmen. Quintus zog sich wieder seine Kleidung über und verließ die Therme über die Terrasse, auf welcher man sich ausruhen konnte. Morgen würde er noch einmal kommen und Gaius dabei hoffentlich antreffen.
 
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Artikel und Fotos: Kadidja Filiz Saruhanoglu

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