Die Begegnung mit den Zeitzeugen des 2.Weltkrieges

Veröffentlicht in Berichte 2016/17

Der 16. November 2016 war ein ganz besonderer Tag am Deutsch-Französischen Gymnasium für die Premiere- Klassen, denn wir hatten das Glück, dass zwei Zeitzeuginnen Fania Brancovskaja und Vĕra Werberová an unsere Schule gekommen sind. Beide Frauen kamen auf Einladung des Maximilian- Kolbe- Werks für eine Woche nach Freiburg. Unser Geschichtslehrer, Herr Hack, stellte dann den Kontakt zum DFG her.

In unsere Klasse kam Frau Fania Brancovskaja. Sie wurde im Mai 1922 in Kaunas/Litauen geboren. Ein paar Jahre später zog sie mit ihrer Familie nach Vilnius, ins damalige Polen.

Hauptsächlich schilderte uns Frau Brancovskaja den Alltag im Ghetto. Zum Schluss zeigte sie uns noch ein Bild von ihrer Familie.

Zuerst erklärte sie uns, das Vilnius vor dem 2. Weltkrieg als „Jerusalem Europas“ galt, aufgrund der jüdischen Institutionen und Kultur.

Mit dem Krieg aber wurde das Leben der Juden deutlich eingeschränkt. Sie wurden aus ihren Wohnung vertrieben, mussten sich mit dem Judenstern kennzeichnen, durften nicht mit Anderen reden und durften nicht auf dem Bürgersteig gehen.

Im Juni 1941 als die deutschen Soldaten in Vilnius einmarschierten und die Judenverfolgung begann, veränderte sich der Alltag der Familie Brancovskaja schlagartig. Sie hatten eine halbe Stunde Zeit um alles zu packen und mussten daraufhin ins Ghetto umsiedeln. Seit dem Zeitpunkt lebten sie auf engstem Raum. Wie sie im Nachhinein erfahren hat, lebten 16 Leute in einer Zweizimmerwohnung.

Sie berichtete uns davon, dass die Nationalsozialisten den Juden das Gefühl von Wertlosigkeit und Unmenschlichkeit gaben. Doch daraufhin sagte sie mit stolzem Ton, dass sie diese Ansicht nie an sich herangelassen hat und immer an ihre menschlichen Werte geglaubt hat.  

Außerdem erwähnte sie, dass zu der Zeit viele Juden umgebracht und deportiert wurden, ein großer Teil davon geschah in Ponar nicht weit weg von Vilnius. Fanias Familie hatte anfangs gute Aussichten, da ihr Vater eine Daueranstellung als Elektromechaniker bekam. Diese garantierte zunächst das Überleben der Familie. Doch Fania blieb von der Arbeit im Ghetto nicht verschont, sie musste Pantoffeln aus Stroh für die deutschen Soldaten flechten. Dies hatte zur Folge, dass ihre Hände blutüberströmt waren. 1942 trat sie der „Vereinigten Partisanenorganisation“ bei und beteiligte sich am Widerstand im Ghetto. Im September 1943 gelang ihr dann die Flucht.

Daraufhin erzählte sie uns mit ihrer optimistischen Art von dem Überleben mit den sowjetischen Partisanen in den Wäldern um Vilnius, in denen sie sich versteckten. Aufgrund des Schnees, indem sie marschieren mussten, schmerzten ihre Beine und tun es noch bis heute. Fania Brancovskaja ist die einzige Überlebende aus ihrer Familie.

Nach dem Krieg absolvierte sie ein Studium der Ökonomie und arbeitete danach im Amt für Statistik. Heute ist Fania Brancovskaja 94 Jahre alt (!!!) und lebt nach wie vor in Vilnius. Sie ist verheiratet, hat zwei Töchter, sechs Enkel und sieben Urenkel. Zudem engagiert sie sich trotz ihres hohen Alters noch aktiv bis heute gegen das Vergessen.

Vĕra Werberová wurde im Jahre 1934 in Brno/Tschechoslowakei geboren. Sie wurde mit ihrem Bruder, ihren Eltern und ihrer Großmutter am 18.01.1943 nach Theresienstadt deportiert. Von dort aus wurden ihr Vater, ihr Bruder und ihre Großmutter nach Auschwitz abtransportiert, wo sie schließlich ums Leben kamen. Sie und ihre Mutter wurden im Mai 1945 im KZ Theresienstadt von der Roten Armee befreit und konnten kurz darauf gemeinsam zurück nach Hause kehren. Nach dem Krieg absolvierte sie erfolgreich die Grundschule und ein Studium. Sie ist eine Diplom-Krankenschwester, die spezialisiert auf das Management im Gesundheitswesen ist. Daraufhin arbeitete sie mehrere Jahre als Operationsschwester. Heutzutage kümmert sie sich um KZ-Überlebende-Kolleginnen, ist verheiratet, hat einen Sohn und zwei Enkel.

Es war eine Ehre für uns Frau F. Brancovskaja/ Frau V. Werberovà kennenzulernen und wir bedanken uns ganz herzlich bei ihnen, dass sie den weiten Weg auf sich genommen und sich für uns Zeit genommen haben, damit die Erinnerungen des zweiten Weltkrieges nie in Vergessenheit geraten. Ihre Hoffnung ist es, dass die Menschheit aus ihren Fehlern lernt und dass durch das Weitergeben ihrer Erlebnisse so etwas nicht mehr vorkommt. Außerdem bedanken wir uns bei der Schulleitung und Herr Hack, die sich um die Organisation dieses Treffens gekümmert haben und uns diese Begegnung ermöglicht haben. Wir hoffen, dass uns die Begegnung noch lange in Gedanken bleibt, um dem Wunsch von Fania Brancovskaja nachzugehen: „die Erinnerungen wachhalten“.

Drucken