Zeitzeuge erzählt aus seinem Leben

20220209 154237 compress44Vor dem zweiten Weltkrieg und der Machtergreifung von Adolf Hitler lebten etwa 800.000 Juden in Deutschland und Österreich, rund elf Millionen in ganz Europa. Die Zahl der während der Shoah ermordeten Juden liegt bei ungefähr sechs Millionen. Weniger als die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Europas hat den Holocaust überlebt und es gibt heute nur noch wenige, die diese Zeit miterlebt haben. Doch einer von ihnen ist Zwi Nigal, der uns anlässlich des 80. Holocaust Gedenktages am 27.01.22 in einer Videokonferenz aus seinem Leben erzählt hat.
Zwi Nigal wurde 1923 in Wien als einziges Kind einer jüdischen Familie unter dem Namen Hermann Heinz Engel geboren. Er erlebte anfangs eine unbeschwerte Kindheit, besuchte die Volksschule und spürte noch keinen starken Antisemitismus. Doch als die Nationalsozialisten 1938 nach Österreich kamen, wurden die jüdischen Schüler weiter weg gesetzt, bekam Hermanns Vater nicht den höheren Posten bei der Eisenbahn und die Juden erlebten in Wien Gewalt und Festnahmen auf offener Straße. Hermanns Familie hatte, soweit man es so nennen kann, die ersten Jahre Glück. Es gab Menschen, die zu ihnen hielten, Klassenkameraden, die Hermann vor bestimmten Straßen, in denen die SA Juden festnahm, warnten. Einmal entkam er sogar einer Deportation, die von der NSDAP Parteizentrale ausging, in der er mit vielen anderen festgehalten worden war. Er hatte sich eine Treppe hochgeschlichen, sich in ein Lesezimmer gesetzt, gehört, wie die Menschen später abgeholt wurden und war abends unversehrt nachhause gegangen. Dennoch wurde es den Eltern irgendwann zu riskant, ihr Kind in Wien zu behalten, vor allem nachdem sie ihre Wohnung verloren hatten und Hermann nicht mehr länger zur Schule gehen durfte.
Sein Vater schickte ihn also mit einer Gruppe von 70 Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren nach Palästina, wo er im zionistischen Sinne Arbeit leistete. Der 15- Jährige dachte, dass seine Eltern bald nachkommen würden, doch Zwi Nigal sah seine Mutter erst nach sieben Jahren und seinen Vater nie wieder. Dieser engagierte sich sehr für die Auswanderung von Juden, die inzwischen illegal geworden war und brachte seine Frau noch auf ein Schiff, das allerdings nicht bis nach Palästina gelassen wurde. Der Vater wurde kurz danach festgenommen, kam in das Konzentrationslager Theresienstadt, schließlich nach Auschwitz, wo er womöglich gleich bei der Ankunft in den Tod geschickt wurde. Sein Sohn ahnte davon noch nichts, aber kämpfte nun in der Australischen Armee gegen die Deutschen und wurde nach Kriegsende in der jüdischen Untergrundbewegung aktiv.
Zwi Nigal traf seine Mutter wieder, gründete eine Familie, die sein größter Stolz, „sein persönlicher Sieg gegen Hitler“ ist. Er arbeitete bis er 80 Jahre alt wurde und entschloss sich danach, in Schulen seine Geschichte zu erzählen. Dieses Jahr wird er 99, aber seine Art zu erzählen ist leicht und lebendig. Zum Schluss ermahnte uns Herr Nigal, wachsam zu bleiben. Es liegt an jedem Einzelnen, dass so etwas nie wieder passiert!
 
Bericht: Cosima von Komorowski, 3eII
Foto: Manuel Madey

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