André Thomas im Interview

Thomas23 Jahre Lehrer am DFG, 2012 offiziell pensioniert aber weiterhin mit Feuer und Flamme der Schule verbunden; so ist André Thomas auch in diesem Schuljahr erneut in den Dienst als Lehrer zurückgekehrt. Mit dem Verein Badische Heimat e.V. unterhielt er sich über seine Zeit bei uns an der Schule:

 

1- Wie lange waren Sie Lehrer am DFG?

Von 1989 bis 2012 war ich als französische, verbeamtete Lehrkraft am DFG tätig. Meine Fächer sind Geographie, Geschichte und Politik, eine unteilbare Kombination in Frankreich. 2012 wurde ich pensioniert, blieb aber weiterhin der Schule verbunden und wurde gelegentlich für Vertretungen „reaktiviert“.

2- Auf welche Weise kamen Sie ans DFG?

In dritter Generation ist meine Familie deutsch-französisch bzw. badisch-pariserisch. Ich habe 1972 in Freiburg geheiratet und meine Frau und ich hatten schon lange den Wunsch wieder hierher zu ziehen. Als die Stelle am DFG ausgeschrieben wurde, habe ich mich beworben und ich bekam sie. Für jemanden der sich 100-prozentig deutsch und 100-prozentig französisch fühlt, war es eine runde Sache.

3- Wie hat Ihr beruflicher -und Ausbildungsweg bis dahin ausgesehen?

Ich wuchs in Paris im Quartier Latin auf und besuchte bis zu meinem Studium an der Sorbonne die Schulen und Gymnasien des Viertels. Ich unterrichtete danach an verschiedenen Collèges und Lycées in Paris und Umgebung. Da unsere beiden Töchter die Mittelstufe am deutsch-französichen Gymnasium in Buc bei Versailles besuchten, war mir, bevor ich nach Freiburg kam, die Besonderheit der DFGs bekannt. So konnte ich ohne große Anpassungsprobleme meine Lehrertätigkeit am hiesigen DFG aufnehmen.

4- Worin unterscheidet sich das DFG von den anderen Gymnasien?

Die DFGs haben eine besondere politische Funktion. Sie gehen auf den Elysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 zurück. De Gaulle und Adenauer, um beide Völker näher zu bringen, hatten die Idee, dass Jugendliche aus beiden Ländern die Möglichkeit bekommen, gemeinsam die gleiche Hochschulreife zu erlangen. So wurde 1972 das deutsch-französiche Abitur geschaffen. Es ist weder das deutsche Abitur, noch das französische Baccalauréat, noch ein Abi-Bac, es ist ein eigenständiges Abitur. Da man es weder an einer deutschen Schule, noch an einer französischen vorbereiten kann, mussten extra dafür Gymnasien gegründet werden.

Das erste DFG entstand in Saarbrücken, dann kamen Freiburg und Buc dazu.

Besondere Lehrpläne, das besondere Notensystem, die Integration von Schüler*innen, die aus französischen oder deutschen Grundschulen kommen, ein binationales, zweisprachiges Lehrerkollegium, die Bikulturalität als pädagogisches Leitmotiv und ein weltweit einmaliges, binationales Diplom sind die Merkmale der Schule.

5- Worin unterscheidet sich die Arbeit am DFG von der an anderen Gymnasien?

Französische Lehrer*innen finden es am Anfang seltsam, dass es keinen Zaun um die Schule, vor allem in Richtung Dreisam, gibt, dass sich die Schüler während der Pause frei bewegen können, dass ein von Schüler*innen besetzter Sanitätsdienst bei Bedarf im Einsatz ist. Alles Dinge, die jenseits des Rheins undenkbar sind.

Dass die Fachlehrer*innen beim Abitur als Erstkorrektoren oder mündliche Prüfer ihre eigenen Schüler*innen mitbenoten, wird als quasi Dogmenbruch von der französischen Seite betrachtet!

Die deutschen Lehrkräfte staunen nicht wenig, dass besonders in der Oberstufe die Trimesterregelung gilt. Das bedeutet mehr Klassenarbeiten und dreimal Zeugniskonfernzen im Schuljahr. Es soll auch erwähnt werden, dass Wirtschafts- und Sozialwissenschaften als allgemeinbildendes Fach unterrichtet wird.

Den meisten Lehrer*innen macht es einfach Spass, in der französischen oder deutschen Schul -und Bildungswelt als Exot zu gelten, obwohl es auch mehr zu leisten gibt, als an den “normalen” Schulen.

6- Welche typischen Schwerpunkte setzt das DFG?

In der Straßenbahn Linie 1 staunen immer wieder die Fahrgäste über diese Jungs und Mädchen, die in ihrer Unterhaltung ganz selbstverständlich von einer Sprache in die andere wechseln. So ist es eben an dieser Schule, wo auch in der schulischen Alltagssprache gemischt wird: ”Demain nous avons Vertretung en deuxième heure” oder “Das bac blanc findet nächte Woche statt.”

Zwei– bzw. Dreisprachigkeit, Bikulturalität und Integration in gemeinsamen Klassenverbänden mit Schüler*innen, die unterschiedlichste Familiengeschichten haben, sind die Schwerpunkte der Schule.

Diese Integration findet auch neben dem Unterricht in zahlreichen Aktivitäten statt: dies sind Chöre, Orchester, wissenschaftliche Veranstaltungen, Schülerfirma für Solarenergie, Schulkiosk mit Produkten aus dem Fairhandel, usw. ... Zu erwähnen ist auch das am DFG gegründete Fach “Kunst-Musik”.

Das DFG wird auch seinen Beitrag zum Freiburger Stadtjubiläum einbringen: eine musikalische Kreation unter dem Motto “Freiburg for Future”.

Ebenso können sich im Elternbeirat und im Förderverein die Eltern begegnen und gemeinsam bei der Gestaltung des Schullebens mitwirken.

7- Was haben Sie am DFG besonders gerne gemacht?

Jonglieren zwischen zwei Sprachen und ab und zu augenzwinkernd auch in der alemanischen Mundart.

Nach dem Motto „In Original ohne Untertitel“ wurde im Fach Politik die Thematik über Frankreich in französischer Sprache unterrichtet, über Deutschland in deutscher Sprache.

Als Quellen für den Geographie- oder Geschichtsunterricht kann man im Fundus von beiden Ländern suchen: das erweitert die pädagogischen Möglichkeiten.

8- Gab es Höhepunkte in Ihrer DFG-Zeit?

Davon gab es viele.

Zum Beispiel in einer Geschichtsstunde den Besuch der damaligen Kultusministerin Annette Schavan. Sie äußerte sich danach beim Schulleiter überrascht, dass ein französischer Lehrer die Schüler*innen im Unterricht doch noch zu Wort kommen lässt...

Der Besuch von Bundespräsident Johannes Rau und sein Dialog mit Oberstufenschüler*innen bleiben mir auch in guter Erinnerung.

Wir haben immer wieder Gäste aus der ganzen Welt empfangen, sogar welche aus der offiziell zweisprachigen schweizerischen Stadt Biel / Bienne, die festgestellt haben, dass der Röstigraben ihre Schulen tiefer aufteilt als der Rhein das DFG...

Ich vergesse nicht die Rede vor dem Plenum des Bundestages, die meine ehemalige Schülerin, die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner hielt, um die deutsch-französische Freundschaft zu würdigen und um dabei ausdrücklich ihren Lehrerinnen und Lehrern am DFG für das, was sie von ihnen auf ihrem Weg mitbekommnen hat, zu danken. Das ist in einer Lehrerkarriere schon etwas Besonderes.

9- Was schätzen Sie insgesamt am DFG, in Freiburg?

Heute entscheiden sich die meisten französischen Lehrer*innen nicht nur für das DFG, sondern auch für das Leben in Freiburg. Das Leben in der „Green City“ mit ihrem besonderen Flair und die Lebensqualität im Dreiländereck werden sehr geschätzt. Viele schlagen sogar in Freiburg ihre Wurzeln und kaufen sich eine Wohnung in der Stadt oder ein Haus im Umland.

10- Wie stellt sich das DFG im Jahre 2020 dar?

Das binationale Abkommen von Schwerin (2003) ist die heutige rechtliche Grundlage des deutsch-französischen Abiturs und der dazuführenden Gymnasien. Internationales Recht steht über nationalem Recht, so greifen am DFG Reformen im Bildungswesen jenseits oder dieseits des Rheins nicht direkt ein.

Es muss lediglich auf die allgemeine Kompatibilität unserer Hochschulreife geachtet werden.

Das DFG ist eine öffentliche Schule der Stadt Freiburg. Das baden-württembergische Schulgesetz regelt die Schulordnung. Die französischen Lehrkräfte werden vom französischen Staat bezahlt. Die Schulleitung obliegt der deutschen Seite, die Stellvertretung der französischen.

Drei Zweige führen zum Abitur, wobei in allen drei deutsch und französisch eine starke Stellung haben: es sind der naturwissenschaftliche Zweig, der sprachliche Zweig sowie der- wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Zweig.

Die Schule zählt z.Z. 805 Schüler*innen. Manche pendeln täglich aus dem Elsass oder aus Basel. Das deutsch-französische Internat in Günterstal beherbergt 60 Schüler*innen.

Mit dem deutsch-französischen Kindergarten und der Deutsch-Französischen Grundschule, dem DFG und dem Frankreichzentrum an der Uni, sowie dem Centre Culturel Français, besitzt Freiburg eine besonders umfangreiche Palette an deutsch-französischen Bildungseinrichtungen.

 

Bericht und Foto: Manuel Madey

Drucken E-Mail