Zeitzeugengespräch mit Vera Friedländer

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Im Rahmen der Ausstellung „Nazi Terror gegen Jugendliche“ ging die 3I im Fach Geschichte am 23. März in die katholische Akademie in Herdern. Vera Friedländer, eine sogenannte Halbjüdin aus Berlin (ihre Mutter war Jüdin, ihr Vater Christ), erzählte uns von ihrem Leben während der NS-Zeit.

Sie stammt aus einer großen jüdischen Familie. Nur 3 von 27 Familienmitgliedern überlebten die NS-Zeit. Sie erzählte, dass sie aufgrund der schrecklichen Erfahrungen, die sie schon früh machen musste, bereits mit 14 Jahren erwachsen geworden sei und alles Kindliche verloren habe: Im Jahr 1942 wird ihre geliebte Großmutter deportiert.

Einzelne Berichte blieben uns besonders im Gedächtnis:

Ein mutiger Schulleiter erlaubte ihr, in einer Handelsschule in den Unterricht zu gehen, obwohl das für Juden verboten war. Sie erzählte dort niemandem, auch nicht ihren engsten Freundinnen, dass sie „Halbjüdin“ war, musste also ihre Identität verstecken.

VeraFriedlaender1944 wurde entschieden, dass jüdische Partner aus „Mischehen“ nach einer Scheidung deportiert werden können: Die Väter mussten wählen, ob sie sich scheiden lassen wollten, und damit ihre Partner deportiert wurden, oder ob sie selbst in ein Lager gingen. Die meisten gingen freiwillig in ein Lager, so auch ihr Vater, erzählte Frau Friedländer.

Vera Friedländer musste für Salamander Zwangsarbeit leisten. Sie musste noch tragbare Schuhe, die aus den Konzentrationslagern kamen, prüfen und sortieren zwischen denen in gutem Zustand und denen, die repariert werden mussten. Eine SS-Aufseherin zwang sie, Lederriemen, die auf Haftung überprüft werden mussten, mit dem Fingernagel (statt mit einem Werkzeug, das auch vorhanden war, ihr aber nicht gegeben wurde) zu testen. Sie bekam blutende und eiternde Finger davon.

1999 sprach man von Zwangsarbeit bei Salamander, doch der Firmenhistoriker Hans Peter Sturm und die Pressesprecherin wiesen alle Vorwürfe ab. Salamander habe nie Zwangsarbeiter beschäftigt und der Firmenchef sei gegen Hitler gewesen, wurde behauptet. Salamander habe sich vorbildlich verhalten.

Aber Salamander hat Zwangsarbeiter beschäftigt. Außerdem erzählte Frau Friedländer, dass Häftlinge in Konzentrationslagern Schuhe/Stiefel von Salamander testen mussten und damit den ganzen Tag lang Teststreckenden abliefen. Die geschwächten und unterernährten Häftlinge taten dies, bis sie nicht mehr konnten und viele fielen vor Erschöpfung um. Wer jedoch nicht weiterlief, wurde erschossen.

Vera Friedländer wies darauf hin, dass das Hab und Gut der Juden, die deportiert worden waren, billig versteigert wurde und hier auch immer großer Andrang herrschte. Die meisten Deutschen hätten kein schlechtes Gewissen gehabt, wenn sie diese Dinge billig ersteigerten. Die Schuhe seien zu Salamander gekommen und wurden dort weggeworfen oder repariert und verkauft.

Nach der Nazi-Zeit machte Vera Friedländer ihr Abitur. Dies war das erste, was sie machen wollte, nachdem sie befreit wurde! Sie wurde später Professorin in Berlin. Außerdem ist sie heute Schriftstellerin.

Adrian Keller, Amélie Brüser 3I

 
 

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